“Ich, um dies schöne Ebenmaß verkürzt,
Von der Natur um Bildung falsch betrogen,
Entstellt, verwahrlost, vor der Zeit gesandt
In diese Welt des Atmens, halb kaum fertig
Gemacht, und zwar so lahm und ungeziemend,
Daß Hunde bellen, hink’ ich wo vorbei; (…)
Und darum, weil ich nicht als ein Verliebter
Kann kürzen diese fein beredten Tage,
Bin ich gewillt, ein Bösewicht zu werden”
Diese Worte legt William Shakespeare dem letzten Plantagenet-König Richard III. in seinem Stück “Die Tragödie von König Richard III.” in den Mund, verfasst um 1593. 108 Jahre nach dem gewaltsamen Tod Richards und während der Regentschaft von Königin Elizabeth I., der Enkelin des Mannes, der Richard vom Thron Englands stieß: Henry Tudor, König Heinrich VII.
Vielerorts wird an der akkuraten Darstellung des Königs gezweifelt. Shakespeare habe lediglich als Instrument der Tudorpropaganda fungiert, und die Geschichtsschreiber hätten ebenfalls das Bild des entstellten Tyrannen Richard, der für seine Zwecke nicht einmal vor Kindermord zurückschreckte, aufgegriffen, um so die Machtübernahme der Tudordynastie zu legitimieren.
Heute fachte nun die Verkündigung der University of Leicester, ein im vergangenen Herbst in den ausgegrabenen Überresten der Grey Friars Church gefundenes Skelett sei als Richard III. identifiziert worden, die Diskussion erneut an: wer war Richard III. wirklich?
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The Good…
Richard wurde 1452 in Northhamptonshire geboren. Durch seinen Vater Richard Plantagenet, 3. Herzog von York, hatte seine Familie Anspruch auf die Thronfolge Königs Heinrich VI. aus einem Haus Lancaster. Beide Zweige der Plantagenets gerieten bald in Auseinandersetzungen über die Königswürde, und die Rosenkriege, zurückgeführt auf die weiße Rose von York und die rote Rose von Lancaster, tobten jahrzehntelang über England.
Nachdem Richards älterer Bruder 1461 als Edward IV. den Thron eroberte, hatte in den folgenden Jahrzehnten in Richard einen loyalen Verbündeten und Heerführer. Seine Treue vergalt Edward ihm, indem er ihn kurz vor seinem Tod 1483 zum Vormund seines minderjährigen Sohns und Thronfolgers Edward V. bestimmte. Doch da hinter dem Jungen seine Mutter, die Königinwitwe Elizabeth Woodville und ihre Günstlinge standen, brach im Privy Council bald Chaos aus, wer den jungen König und somit das Land regieren sollte. Bald darauif verkündete der Bischof von Bath und Wells, die Kinder Edwards IV. mit Elizabeth Woodville seien wegen einem zuvor geschlossenen Verlöbnis des Königs illegitim. Ob Richard dieser Behauptung Glauben schenkte, kann nicht mehr nachverfolgt werden, doch ließ er sich kurz darauf vom Parlament zu Edwards Thronfolger und somit rechtmäßigem König ausrufen. Der Knabenkönig Edward V. sowie sein jüngerer Bruder wurden im Tower von London untergebracht.
Als König war Richard III. vor allem im Norden des Landes, in dem er einen großen Teil seines Lebens verbrachte, ausgesprochen beliebt. Zeitgenössische Schriften rühmen seine Güte gegenüber den Armen seines Landes und erwähnen die Zufriedenheit seiner Untertanen. Zudem führte er wichtige juristische Reformen durch, wie z.B. die Einführung von Englisch statt Latein vor Gericht, die Schaffung eines Systems des Rechtsbeistands für Arme sowie Maßnahmen gegen die Bedrohung von Geschworenen.
Als die Ratsversammlung der Stadt York 1485 von Richards Tod bei der Schlacht von Bosworth erfuhr, wurde ein Schreiben verfasst, in dem man den “elenden Mord” an ihrem “barmherzigen Regenten” Richard betrauerte. Dies war eine riskante Aussage, da nun mehr Henry Tudor, also der “elende Mörder” an der Macht war. Und dennoch setzten die Ratsherren sogar ihre Namen unter das Schreiben.
… the bad…
Anlass, Richard III. zum Heiligen zu stilisieren, gibt es jedoch sicherlich nicht. Wer in jener Zeit in höchsten Kreisen erfolgreich werden wollte, hoch aufsteigen wollte in politischen Ämtern und der Gunst des Königs, musste Andere, die die gleiche Ambition hegten, hinter sich lassen, verleumden oder zu Fall bringen. So blieb auch an Richards Lebensweg der eine oder andere Konkurrent zurück – oder jene, die ihm den Thron streitig machten. Die Parteigänger der Königinwitwe waren eine Sache – doch die Söhne seines Bruders, die als “Prinzen im Tower” zur Legende wurden, eine andere.
Der zwölfjährige Edward und der neunjährige Richard wurden 1483 im Tower untergebracht, der zu jener Zeit, neben einem Gefängnis, noch ein königlicher Palast war. Noch im Sommer diesen Jahres wurden sie dort gesehen, doch danach verschwanden sie im Nebel der Geschichte. 1674 wurde bei Umbauarbeiten eine Kiste mit zwei Kinderskeletten gefunden, doch ob es sich hierbei wirklich um die beiden Prinzen handelt, ist bis heute ungeklärt. Schnell kam der Verdacht auf, Richard III. hätte seine Neffen ermorden lassen, um seinen Anspruch auf den Thron zu sichern, doch stichhaltige Beweise liegen nicht vor. Dennoch griff die Tudordynastie diesen Punkt dankbar auf und verwendete ihn in ihrem Bestreben, Richard zu diffamieren. Geschichte und Legende vermischten sich weiter, und ob dieser Fall je aufgeklärt werden kann, ist zweifelhaft.
… and the ugly.
Ebenfalls ein Punkt, den vor allem William Shakespeare weidlich ausnutzte, um Richard weiter zu dämonisieren, war die angebliche Verkrüppelung des ehemaligen Königs. Einen Buckel soll er ebenso wie einen verkürzten Arm gehabt haben.
Nachdem man herausgefunden hatte, dass ein berühmtes Gemälde Richards III. aus der Tudorzeit über eine nachträglich hinzugefügte, erhöhte Schulter verfügte, schien die Verkrüppelung ins Reich des Legenden gewandert zu sein. Doch nun brachte der Skelettfund die Wahrheit ans Licht: Richard litt von Kindheit an an einer Verkrümmung der Wirbelsäule, was zu einer erhöhten Schulter geführt hat. Da er jedoch als Heerführer an Schlachten teilnahm, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Verkrüppelung Richard so entmenschlicht hat, wie Shakespeare es seiner Leserschaft weismachen wollte.
Richard, das Monster?
Hat man nun auch Klarheit über den körperlichen Zustand Richards III., die Umstände seines Todes sowie seines Begräbnisses, wird sein Leben und seine Taten weiterhin Stoff für Mutmaßungen, Legenden und Phantasien bieten.
Sicher war er kein Heiliger, doch ob er wirklich unmenschlicher und grausamer war als andere Personen seiner Zeit und seines Standes, sei dahingestellt. Ein Großteil seines Rufes wurde durch Propaganda beeinflusst, die selbst bereits mehr als 500 Jahre alt ist. Die Wahrheit ist so tief vergraben, dass sie die Wissenschaft noch lange beschäftigen wird. Und auch, wenn Richards Bekanntheit hierzulande wohl nie an die des Sohns seines Nachfolgers, Heinrich VIII., herankommen wird, werden sich noch zahlreiche Autoren und Regisseure mit seinem Mysterium eine goldene Nase verdienen.
Quellen:
zeno.org: König Richard III.
Guardian: Skeleton found in car park is that of Richard III – live coverage
Guardian: Richard III: DNA confirms twisted bones belong to king
Silverboar.org: York City Death Entry of Richard III.
History of York: King Richard III. and York
Richard111.com
Spiegel Online: England: Knochen unter Parkplatz stammen von König Richard III.
Wikipedia: Richard III.
Wikipedia: Die Prinzen im Tower