Die Neuigkeit
Bereits Wochen zuvor ging die Meldung durch die lokalen Medien: am Freitag, den 09.09., wird der argentinische Konzeptkünstler Nicolás Uriburu die Weser grün färben!
Eine Meldung, die mit Sicherheit Aufmerksamkeit erregt, wenngleich auch nicht unbedingt Verständnis.
Diese Performance war Teil der Feierlichkeiten zum 20. Geburtstags des Bremer Museums Weserburg und zugleich der Auftakt zur dort am gleichen Tag beginnenden Sonderausstellung “Farbe im Fluss”, in deren Rahmen namhafte Künstler wie Andy Warhol und Jackson Pollock ausgestellt wurden.
Der Tag
Dieses Foto zeigt den Künstler Uriburu, passend im grünen Overall, beim Einbringen des eigentlich rostroten Pulvers (in einer Menge von 30 kg) in den Fluss, das sich beim Wasserkontakt giftgrün verfärbt. Es handelt sich um den Farbstoff Uranin, einen prinzipiell ungiftigen, enorm ergiebigen Farbstoff, der beispielsweise zum Aufspüren Schiffbrüchiger oder Verfolgen von Gewässerströmungen eingesetzt werden kann. Die in Chicago ansässigen Iren tauchen mit diesem Stoff jährlich zum St. Patrick’s Day den Chicago River in unübersehbar irisches Grün.
Uriburu hat bereits im Jahr 1968 die gleiche temporäre Färbung beim Canal Grande in Venedig vorgenommen. Vor der Wiederholung in Bremen nahm er öffentlichkeitswirksam einen Drink aus Uranin zu sich, um die absolute Ungefährlichkeit des Stoffes zu beweisen. Auch Carsten Ahrens, seines Zeichens Direktor des Museums Weserburg, stand der Bremer Tageszeitung “Weser Kurier” für ein Interview zur Verfügung, während er barfuss knöcheltief im Wasser der Weser stand. Hierbei erwähnte er die Intention des Künstlers, auf den Umweltschutz aufmerksam machen zu wollen: “Uriburu will, dass wir die Natur neu wahrnehmen und uns Gedanken darüber machen, wie wir mit ihr umgehen.”
Hier ist nun das Endergebnis der Performance zu sehen: zunehmend vereinzelte, neongrüne Schlieren, die sich nach etwa 15 Minuten auflösten. Bei den zahlreich herbeigeströmten Zuschauern herrschte durchaus Interesse, aber auch Befremdung, was genau die Botschaft des Künstlers sein sollte. Denn außer dem Marketingzweck für die Ausstellungseröffnung schien kaum ein anderer Zweck dieser Aktion kommuniziert worden zu sein, von einer Umweltbotschaft ganz zu schweigen.
Die Botschaft
Was will uns der Künstler damit sagen? Der Grossteil der inhaltlichen Berichterstattung über diese Performance beschäftigt sich mit künstlerischen Facetten. Farbe im Fluss, Zufälligkeitkeit von Farbverläufen etc. Auch das Museum tätigte die Aussage, es gehe nicht um die Werbung für die Ausstellung, sondern darum, dem Künstler das Ausüben seiner Kunst zu eröffnen. Eine Aussage, die durch die vor dem Museum ausgeschenkten mintgrünen Drinks zu der obligatorischen Portion Pommes ein wenig kurios wirkt. Grünes Weserwasser in Flaschen kann zudem inzwischen für 100 € erworben werden.
Dass der Künstler bereits seit 1968 mit ähnlichen Aktionen für mehr Umweltbewusstsein wirbt und auch zusammen mit Greenpeace gearbeitet hat, wird zumeist in Nebensätzen erwähnt, gleich nach dem deutlichen Hinweis, dass der Farbstoff absolut umweltverträglich sei.
Punkt 1: Glaubwürdiges Marketing sieht anders aus. Zur einer Ausstellungseröffnung namens “Farbe im Fluss” einen Fluss einzufärben, farblich passende Getränke feilzubieten und dann zu beteuern, es gehe nur um die Kunst und nicht um die Werbung, überzeugt zumindest mich nicht.
Punkt 2, bedeutender: eine Botschaft für mehr Umweltbewusstsein, indem 30 kg Farbe in ein Gewässer geschüttet werden? Was für ein Umweltbewusstsein soll das sein? Ja, der Farbstoff mag harmlos sein. Aber meiner Meinung nach ist es ein gewaltiger Unterschied, ob ein solcher Stoff zur Lebensrettung oder aus wissenschaftlichen Zwecken eingesetzt wird, oder ob man (je nach Interpretation) künstlerische Ausdrucksform oder Werbemaßnahme im Sinn hat. Einen Fluss einzufärben, entspricht nicht unbedingt meinem Verständnis davon, den Menschen darüber nachdenken zu lassen, wie er mit der Umwelt umgeht.
Zudem ist diese Umweltbotschaft so gering kommuniziert worden, dass sie fast komplett hinter der Werbebotschaft verschwand. Wenn Greenpeace ein Gewässer einfärbt, mit dem einzigen Zweck, die Umweltbotschaft zu kommunizieren, mag es noch immer eine fragwürdige Taktik sein, aber immerhin bekommt der Umweltschutz die ungeteilte Aufmerksamkeit. Hier ging der gute Zweck verloren. Also, wozu das Ganze?
Ich denke nicht, dass man Umweltbewusstsein schafft, indem man zeigt, dass es vollkommen in Ordnung ist, Chemie, und sei sie auch noch so harmlos, in einen Fluss zu schütten, nur weil es hübsch und aufsehenerregend aussieht.
Der einzige Zweck, der offiziell auch noch geleugnet wurde, der Erfolg hatte, war die Werbung für die Ausstellungseröffnung. Alles andere ging buchstäblich unter.
Viele Grüße vom Ufer einer zum Glück wieder ganz natürlich gefärbten Weser!
PS: Der “Weser Kurier” fragte auf seiner Homepage, ob diese und ähnliche Aktion nach Ansicht der Webseitenbesucher einen Imagegewinn für Bremen darstellen würden. Eine Mehrheit von 43% verneinte dies und schätzte, dass Bremen sich dadurch eher lächerlich mache.
Vielen Dank für Fotos und Augenzeugenbericht an: http://tharjana.deviantart.com
Quellen:
Weser Kurier, 10.09.2011, S. 1, 2 und 24
http://www.weser-kurier.de/Artikel/Bremen/Kultur/443025/Uriburu-faerbt-die-Weser-gruen.html
http://www.weser-kurier.de/Bilder/Bremen/443524/Gruene-Kunstaktion-auf-der-Weser.html
http://213.71.18.104/kultur/themen/weserburg222.html
http://www.radiobremen.de/kultur/themen/weserburg192.html
http://www.swissinfo.ch/ger/news/newsticker/international/Konzeptkuenstler_Nicolas_Uriburu_giesst_kuebelweise_Farbe_in_Weser.html?cid=31105116
http://www.shortnews.de/id/915702/Weser-in-Bremen-von-Kuenstler-Nicolas-Uriburu-gruen-gefaerbt
http://www.treehugger.com/files/2010/03/artist-paints-polluted-river-green-for-world-water-day.php